Wer vergangene Woche die Sitzung der Stadtverordnetenversammlung verfolgt hat, konnte deutlich feststellen, welche politischen Ziele die aktuelle Koalition aus CDU und UWA verfolgt. Auf dem Rücken der Seniorenarbeit und mit der politischen Mehrheit im Rücken kann man entscheiden und dabei dem politischen Gegner auch noch so nebenbei das Recht streitig machen, Anträge in die Stadtverordnetenversammlung einzubringen.
Die Seniorenarbeit der Stadt Alsfeld wird derzeit von der Stabsstelle Soziales und Kultur betreut und durch den Seniorenbeirat sowie die Verbände und den Seniorengemeinschaften der politischen Parteien gestaltet. Die Aufgaben sind verteilt und werden wahrgenommen. Mit dem Antrag der SPD-Fraktion hätte man die Seniorenbetreuung durch die Stadtverwaltung in einer hauptamtlichen Stelle bündeln können. Allerdings werte Senioren in Alsfeld: Es läuft alles bestens. Dies will der Bürgermeister einem Glauben machen, wenn er mit Hilfe der Stellungnahme der Verwaltung die Ablehnung des SPD-Antrages begründet, weil weder Stabsstelle noch Seniorenbeirat eine Ausweitung für nötig halten. Dass man das bestehende Angebot erweitern müsse sei nicht abzusehen.
War es vor zwei Jahren noch die Verwaltung selbst, die eine CDU nahe politische Stiftung nach Alsfeld geholt hat um mit Winfried Kösters die Gremien für den demographischen Wandel zu sensibilisieren, so wurde der gleiche Referent für den Unternehmertag (Wirtschaftsförderung) ein zweites Mal nach Alsfeld geholt und laut beklatscht. Eine Grundaussage der Vorträge: alle Studien zur Änderung der Altersstruktur der Bevölkerung laufen darauf hinaus, dass der demographische Wandel nicht aufzuhalten – aber wohl zu gestalten sei. Die Arbeit für die Senioren muss neben dem jetzt schon geleisteten Tagesgeschäft auch die strategische Überlegung zur Gestaltung der Zukunft übernehmen. In diese Richtung ging der Antrag der SPD. Ein Prüfauftrag, um die Seniorenarbeit in Alsfeld noch besser und zukunftsfähiger werden zu lassen. Abgelehnt wurde er mit der Begründung, dafür ist keine Notwendigkeit und finanzielle Mittel „können sinnvoller verwendet werden“ wie es ein Abgeordneter der UWA-Fraktion schon im Vorfeld bei den Beratungen der Ausschüsse deutlich machte. Bei der Einbringung des Haushalts wird aber der Stellenplan um 2,5 Stellen ausgeweitet. Geld ist ja (doch) da. Kommt somit darauf an, für was man es ausgeben möchte.
Auch wurde der Opposition das Recht abgesprochen Anträge zu stellen, da man ja gar nicht in der Lage wäre sie umzusetzen. Da zeigt man die Macht der Mehrheit und ein sonderbares Verständnis von Demokratie und dem Umgang mit Minderheiten. Was war geschehen?
Die SPD-Fraktion hatte einen Prüfauftrag zur Einrichtung eines Bürgerbusses eingebracht. Dieser sollte die Lücken in der Versorgung und Anbindung der Ortsteile Alsfeld mit der Kernstadt schließen und den Bürgern die Möglichkeit geben, ihre Ziele des täglichen Bedarfes direkt erreichen zu können. Auch dieser Antrag wurde mit der gleichen Arroganz als Populismus abgetan. Auch hier wurde die Chance nicht aufgegriffen, das bestehende Nahverkehrsangebot zeitlich punktuell zu erweitern und durch ehrenamtliche Fahrer getragen eine Verkehrsverbindung zu schaffen, die es ermöglicht zum Einkaufen, zum Friseur, zur Apotheke oder zum Arzt zu kommen. Die Beförderungszeiten eines Bürgerbusses würden sich nicht an den Schulzeiten und den Linien des ÖPNV orientieren, sondern am Bedürfnis der älteren oder nicht mobilen Bürger in den Stadtteilen. Des Weiteren kommen auf die Bürger in den Ortsteilen erhöhte Kosten zu, da ihre Fahrkarten aus dem ÖPNV im zukünftigen Stadtbus ab 13.Dezember 2016 nicht angerechnet werden können. Ein weiterer Nachteil, den die SPD-Fraktion durch die Einrichtung eines Bürgerbusses ausgleichen oder zumindest entschärfen wollte. Nein, das ist in den Augen des Fraktionsvorsitzenden Heinz ja sogar Populismus. Die Gleichbehandlung von Bürgern unserer Kern-Stadt mit den Bürgern der Ortsteile ist also Populismus.
Das mit zunehmendem Alter die Bedürfnisse der Bürger anders werden und diese Bevölkerungsgruppe in den künftigen Jahren wachsen wird, muss sich in den politischen Entscheidungen von heute wiederfinden. Die stereotype Antwort „wir brauchen eine starke Wirtschaft“ greift hier zu kurz. Es braucht sinnvolle Rahmenbedingung für die Unternehmen, um Steuern und Abgaben zu erwirtschaften. Aber auf den erwerbstätigen Teil der Bevölkerung kommt in den nächsten Jahren die Aufgabe zu, dass die sich um einen größer werden Teil älterer Menschen kümmern muss. Das müssen die Einzelnen auch leisten können. Hier ein hohes Maß an Selbständigkeit der Senioren zu erhalten und Unterstützung anzubieten ist gleichsam eine Aufgabe der Politik. Ach Nein, da ist ja noch die Frage nach der Sinnhaftigkeit – und letztlich auch die Frage nach den politischen Ansätzen und Ideologien.